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Nach zehn Jahren, gut und gerne, habe ich meinen Freund Robert wiedergesehen, mit dem ich keinen Kontakt mehr hatte seit damals, als er mit der Frau schlief, die ich liebte. Äußerlich war er nicht sehr verändert. Ein gemeinsamer Freund hatte mir erzählt: er hat seine Dissertation, eine ethnografische Arbeit über einen Stamm irgendwo im inneren Afrika, nie fertiggestellt. Auf Feldforschung hat ihn, was den meisten passiert, die Malaria erwischt, aber schlimmer als die meisten, er wäre fast dran kapiert, in einem Krankenhaus in der heißen und staubigen (so stellen wir uns das doch vor) Hauptstadt dieses Landes, an dessen Namen der gemeinsame Freund sich nicht mehr erinnert. Man habe ihn kaum wiedererkannt, danach. Keine großen Änderungen äußerlich, das nicht, aber er habe begonnen, durch die Stadt zu laufen und die Quersummen aus Hausnummern zu bilden, auf die sein Blick fiel. Zugleich musste er beim Gehen immer die Schritte zählen und die Quersummen so verrechnen, dass in einer bestimmten Folge ein Hüpfer einzubauen war. Verpasste er ihn, oder ging er daneben, der Hüpfer, musste Robert zurück zum Beginn der letzten Hausnummernserie. Von außen sei nicht zu sagen gewesen, was der Unterschied war zwischen einem gelungenen und einem verpatzten Hüpfer. Er sei jetzt geheilt. Es war an der Friedrichstraße, wir eilten hinüber, ich von der einen, er von der anderen Seite, die Ampel war rot, alle anderen waren stehengeblieben. Ich zögerte, er sah mich nicht oder erkannte mich nicht oder wollte mich nicht erkennen. So ging ich auch weiter, blickte ihm noch nach. Bis er um die nächste Ecke verschwand, hatte er keinen Hüpfer gemacht.
polaroid_rot meinte am 20. Jul, 23:11:
.
...wie schön Du schreibst. 
was_es_ist antwortete am 22. Jul, 03:07:
.
...welch Leben du führst. 
 

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