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Einmal stürzte einer den Abhang hinab auf einer Tour durch die Schweiz. Der Bus hielt an, Pinkelpause, Sebastian setzte über einen Zaun, hinter dem man, im Nebel, ein Stück Grün sah, aber nicht den Abgrund, der dahinter gähnte. Ich stand nicht weit entfernt und sah, wie er mit dem rechten Fuß aufsetzte, dann das Gleichgewicht verlor und verschwand. Er muss so überrascht gewesen sein, dass er nicht einmal schrie. Die Polizei, die einer der Mitfahrer rief, im nächsten Dorf, es gab noch keine Handys damals, irgendwann in den Achtzigern, die Polizei konnte ihn erst Stunden später bergen. Er lag, als man ihn fand, das hat man uns erzählt, in einem Bett aus Gras, um das herum nur Fels war und Geröll. Von oben, wo wir ausharrten, sah man nichts, im Nebel. Ich nahm an der Beerdigung teil und musste weinen, obwohl ich ihn kaum gekannt hatte. Wir waren erst drei Tage unterwegs gewesen. Sebastian saß im Bus immer allein und hörte klassische Musik, die Kopfhörer seines Walkmans im Ohr. Er hatte einen leichten Sprachfehler, ein Lispeln, das nur am Wortanfang auftrat, eine Unsicherheit, die er rasch überwand und die sich dann doch immer wieder neu einstellte. Ich weiß nicht mehr, welche Farbe seine Haare hatten, ich kann mir kein Bild mehr machen von ihm, es ist zu lange her. Seine Eltern waren viel älter als ich gedacht hatte. Er war mein erster Toter, wenn man so sagen kann, da ich ihn ja nur stolpern sah, in den Tod, und die Leiche nie zu Gesicht bekam. Ich war froh, dass diese Fahrt durch die Schweiz mit dem Bus in einer Gruppe Jugendlicher, mit der ich nichts anfangen konnte, so rasch ihr Ende fand.
 

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